Deutschland will aus Gründen des Klimaschutzes komplett auf erneuerbare Energien umstellen. Aber ist dies überhaupt möglich bzw. sinnvoll?
Die folgende Analyse stellt die Möglichkeiten und Notwendigkeiten dar, speziell am Beispiel der Realität.
[Veröffentlicht am 06.03.2017, mit monatlicher Fortführung.]
Aktuelle Situation
In Deutschland stehen derzeit 27.270 Windkraftanlagen (Stand Januar 2017). Bis Ende 2018 sind rund 3.000 weitere geplant, sodass es dann 30.220 sein werden. Die Zubaurate liegt jedoch weit über den Zielen, die von den entsprechenden Ministerien vorgegeben wurden. Dies liegt daran, dass die Windkraftbetreiber es zuletzt sehr eilig hatten. Alle noch bis zum 31.1.2017 angemeldeten Pläne zum weiteren Ausbau der Windkraft können noch von hohen Vergütungen profitieren. Alle Anmeldungen ab dem 1.2.2017 erhalten deutlich weniger, da das Ziel besteht, die Einspeisevergütung nach und nach zu senken.
Es ist daher fraglich, ob die geplanten 3.000 Windkraftanlagen tatsächlich bis Ende 2018 realisiert werden. Für eine sichere Versorgung Deutschlands mit Erneuerbaren Energien wären sie jedenfalls dringend notwendig.
Welche Erneuerbare Energie kann Deutschland versorgen?
Mit dem geplanten Bau weiterer Windkraftanlagen steigt die installierte Leistung der deutschen Windkraft an Land um fast 9 Gigawatt auf insgesamt mehr als 50 Gigawatt an. Der tatsächliche Ertrag liegt jedoch weit darunter, da nur selten so viel Wind weht, dass alle Anlagen voll ausgelastet sind. Dem gegenüber steht ein landesweiter Bedarf, der je nach Tageszeit zwischen 50 bis 70 Gigawatt beträgt.
Der Ausstieg aus der Kernkraft ist beschlossen und soll bis 2022 erfolgt sein. Eine konstante Produktion von 8 bis 9 Gigawatt muss bis dahin bereits durch eine andere Quelle ersetzt worden sein. Ein gewisser Teil wird vorübergehend durch Kohleverstromung und Gaskraftwerke übernommen, um eine sichere Versorgung aufrecht erhalten zu können.
Doch auch die Kohlekraft soll reduziert bzw. eingestellt werden. Deren Ende wird zwischen 2030 und 2040 gefordert. Weitere 30 Gigawatt müssen bis dahin durch eine andere Quelle ersetzt werden.
Ob die Abschaltung der Kern- und Kohlekraftwerke sinnvoll ist oder nicht, soll hier nicht diskutiert werden. Es geht einzig um die Frage: Welche sinnvolle Alternative gibt es?
Ein weiterer Eckpfeiler der Erneuerbaren Energien ist die Solarkraft. Doch die Sonne scheint nur tagsüber. Im Winter zudem schwächer und bei Regenwetter, dichter Bewölkung oder gar Nebel nimmt deren Ertrag logischerweise deutlich ab. Ebenso, wenn die Anlagen im Winter mit Raureif oder Schnee bedeckt sind. Bei guten Wetterbedingungen hingegen eignet sich die Solarkraft immerhin dazu, Bedarfsspitzen zu bedienen. Eine konstante Versorgung ist mit ihr aber in keinem Fall möglich.
Über die Klimaneutralität von Biogasanlagen kann man sich streiten, aber sie bieten eine recht konstante Stromversorgung. Diese liegt derzeit bei 6 bis 7 Gigawatt und deckt damit ca. 10% des Bedarfs ab. Ein Ausbau dieser Energiequelle ist jedoch nur noch bedingt möglich, also schon weitestgehend ausgeschöpft.
Damit bleibt die Windkraft die einzige sinnvoll ausbaufähige Quelle erneuerbarer Energien. Derzeit kann diese zeitweise schon bis zu 50% der Stromversorgung liefern, aber nur dann, wenn Sturm herrscht. Es ist aber davon auszugehen, dass sich keiner wünscht, dass über Deutschland nonstop Sturm herrscht. 50% bedeuten aber auch, dass die Anzahl der Windkraftanlagen mindestens noch verdoppelt werden müsste, wobei aber auch dann nur im Falle eines Sturmes die Windkraft 100% liefern kann. Eine sichere Stormversorgung stellt das nicht dar.
Die Frage lautet daher: Kann Windkraft Deutschland sicher versorgen?
Um diese Frage beantworten zu können, muss zuerst ermittelt werden, wie viel Wind über Deutschland überhaupt weht, wie beständig dieser ist und mit welchen kritischen Situationen zu rechnen ist. Die von uns durchgeführte Analyse betrachtet dafür das Wettergeschehen der letzten 10 Jahre (April 2007 bis einschließlich Januar 2017) und simuliert, wie viele Windkraftanlagen für die verschiedensten Wetterlagen notwendig gewesen wären, um eine durchgehend sichere Energieversorgung zu gewährleisten. Als Maßstab wurde die Windkraftanlage Enercon E-126 verwendet (Nabenhöhe 135 Meter, maximale Leistung 7580 Kilowatt). Diese ist derzeit, nach Herstellerangaben, die weltweit leistungsstärkste Windenergieanlage, die am Markt verfügbar ist. Die Resultate messen sich an der Realität und nicht an simulierten Zukunftsszenarien. Sie bieten daher eine gute Orientierung für eine Energieversorgung primär auf der Basis von Windkraftanlagen.
Die Analyse des Wettergeschehens hat gezeigt, dass Windflauten immer wieder auftreten können. Zwei bis drei Wochen mit schwachen Windverhältnissen sind durchaus möglich. Länger halten diese aber selten an, da nicht überall über Deutschland für eine solch lange Zeit völlige Windstille herrscht oder der Wind für die Windkraftanlagen zu gering ist.
Aber gerade dann, wenn Windstille herrscht oder die Winde nur sehr schwach wehen, liefert die Windkraft fast keinen Beitrag. Auch nicht, würde man Deutschland komplett mit Windkraftanlagen zustellen. Dies würde daher bedeuten, dass Deutschland ab 2020 in solchen Fällen verstärkt Strom aus dem Ausland einkaufen müsste. Bei starken Windflauten wären dies unter Umständen 80 bis 90% des Energiebedarfs. Das können unsere Nachbarländer nicht leisten. Zum einen aufgrund der Menge, zum anderen deswegen, weil eine Windflaute über Deutschland nicht an den Grenzen halt macht. Daher werden die Nachbarländer oft im gleichen Zeitraum unter Energiemangel leiden, sofern sie ebenfalls zum größten Teil auf Erneuerbare Energien setzen.
Stromspeicher, in welcher Art auch immer, sind daher dringend notwendig, um solche kritischen Situationen abfangen zu können. Sie sind unumgänglich, um eine Energieversorgung mit Windkraft oder anderen Quellen zu realisieren. Momentan sieht es in dieser Hinsicht jedoch noch sehr schlecht aus. 2010 betrug die Gesamtkapazität von Speicherseen gerade einmal 40 GWh. Das ist nur ein 200 bis 250stel von dem, was benötigt würde. Das 200 bis 250fache an Speicherseen lässt sich in Deutschland nicht ohne große Landschaftsverluste realisieren.
Wie viele Windkraftanlagen sind notwendig, damit Deutschland versorgt werden kann?
Ohne nennenswerte Speicherkapazitäten müssten für eine Sicherung des Energiebedarfs bei einer Windflaute viele Millionen Windkraftanlagen in Deutschland aufgestellt werden. Dies ist zum einen ein enormer materieller, finanzieller und auch zeitlicher Aufwand, sodass es bei der aktuell geplanten Ausbaurate noch mehrere Jahrhunderte dauern würde, ehe Kohle- und Kernkraftwerke mehr oder weniger beruhigt abgeschaltet werden könnten. Aber auch dann würde eine völlige Windflaute dazu führen, dass bis auf den Ertrag aus Biogas und Solarkraft die restlichen 80 bis 90% des Bedrafs aus dem Ausland importiert werden müssten. Mit Sicherheit zu hohen Preisen, da wie bereits erwähnt, auch die Nachbarländer im gleichen Zeitraum sehr wahrscheinlich nicht von Überschüssen aus der Windkraft gesegnet wären.
Zum anderen wäre dieser umfangreiche Ausbau kontraproduktiv. Nicht nur, dass ganz Deutschland dann alle 130 Meter eine Windkraftanlage stehen hätte (Mindestabstand bei einem Rotordurchmesser von 127 Metern), sondern dass zudem bei dieser Baudichte die Windräder sich gegenseitig durch Luftverwirbelungen in den Windschatten stellen würden und somit der Ertrag deutlich geschmälert wäre. Folglich wären noch viel mehr Anlagen notwendig. Doch eine weitere Steigerung würde die Effektivität noch weiter reduzieren. Ein unlösbares Problem!
Der Ausbau der Speicherkapazitäten ist daher dringend notwendig. Es wird davon ausgegangen, dass Windflauten von 5 bis 6 Tagen abgesichert werden müssen, da diese mehrmals im Jahr auftreten. Beim aktuellen Bedarf entspräche dies einer bereitzustellenden Speicherkapazität von 8 bis 10 TWh. Wäre diese Speicherkapazität verfügbar, wäre eine Versorgung Deutschlands mit Windkraft potentiell möglich.
Die Betrachtung des Wettergeschehens der letzten 10 Jahre hat gezeigt, dass bei einer sinnvollen Verteilung der Windkraftanlagen mindestens 186.000 Stück notwendig gewesen wären, um auch in kritischen Zeiten in Kombination mit den erforderlichen Speicher-kapazitäten sowie Biogas und Wasserkraft den Bedarf in Deutschland decken zu können. Im betrachteten Zeitraum wären die Speicherkapazitäten immer wieder für ein paar Tage in Anspruch genommen worden. Mindestens ein bis zwei Mal pro Jahr ist sogar damit zu rechnen, dass 30 bis 40% der Energiespeicher beansprucht werden. Und aufgrund der verfügbaren Windkraftanlagen hätten die Speicherkapazitäten in den Folgewochen durch Überschüsse wieder bereitgestellt werden können.
Nach der Simulation wäre es im Jahre 2010 aber fast kritisch geworden. Die letzte Woche im Juni sowie die erste Hälfte des Juli war deutschlandweit derart windschwach, dass die Speicherkapazität von 10 TWh zu 80% aufgebraucht worden wäre. Dies zeigt, dass die Größenordnungen realistisch sind: 186.000 Windkraftanlagen in Deutschland in Kombination mit Speicherkapazitäten von 10 TWh und einer Grundproduktion von 7 bis 8 GW auf der Basis von Biogas und Wasserkraft.
Das Problem ist nun aber, dass es bei der aktuellen Ausbaurate der Windkraftanlagen noch 5 bis 6 Jahrzehnte dauern würde, ehe die Produktionskapazitäten für eine sichere Energieversorgung erreicht wären. Im gleichen Zeitraum wären jedoch auch die notwendigen Speicherkapazitäten aufzubauen und bereitzustellen. Das sieht derzeit alles andere als machbar aus. Die Kapazität der derzeitigen Pumpspeicherwerke müste um den Faktor 200 bis 250 erhöht werden. Man bedenke dabei auch, dass schon 2022, also in 5 Jahren, alle Kernkraftwerke abgeschaltet sein sollen und das Stilllegen der Kohlekraftwerke in ein bis zwei Jahrzehnten folgen soll.
Mal abgesehen davon, dass bereits gesundheitliche Probleme in der Bevölkerung auftreten, ist des Weiteren zu bedenken, dass das Errichten von 186.000 Windkraftanlagen für Deutschland bedeutet, dass diese im ganzen Land in einem Abstand von rund einem Kilometer aufgestellt werden müssen. In manchen Regionen etwas dichter, in anderen weniger dicht, aber die windgünstigsten Lagen sind bereits oft schon zugestellt. Baugebiete in der näheren Umgebung von Wohngebieten werden daher immer öfter genutzt.
Was wird uns die Zukunft bringen?
Der Bedarf an elektronischen Geräten steigt stark an. Das Internet der Dinge greift um sich. Energie wird in unserem Alltag immer mehr benötigt. Da hilft auch das Sparen und Optimieren nicht. Dies wird zwar den aktuellen Bedarf reduzieren können, aber gerade die Elektromobilität von Fahrzeugen bis hin zum Schwerlastverkehr wird Unmengen an zusätzlicher Energie erfordern. Diese ist in der durchgeführten Simulation nicht berücksichtigt worden!
Zusammenfassung der Studie
Rahmenbedingungen und Annahmen der Studie:
- Betrachtungszeitraum: April 2007 bis Januar 2017, stündliche Werte.
- Verfügbarer Wind in Höhe der Windräder.
- Stromproduktion durch derzeit leistungsfähigste Windkraftanlage (Enercon E-126).
- Die Verteilung der Windkraftanlagen orientiert sich an der durchschnittlichen Windverfügbarkeit in den einzelnen Regionen und spart Hochgebirgsregionen sowie Gebiete nahe der Landesgrenzen aus.
- Stündlicher Energiebedarf je nach Tageszeit: 50 bis 70 GW, an Wochenenden 35 bis 55 GW.
- Konstante Stromproduktion durch Biogasanlagen und Wasserkraftwerke: zusammen 7,5 GW (aktueller Stand).
- Speicherkapazitäten von 10 TWh (Strombedarf für 5 bis 6 Werktage).
- Wirkungsgrad der Pumpspeicherwerke von 80% (optimistischer Wert).
(Die Werte für Produktion und Bedarf sind Durchschnittswerte der letzten 10 Jahre und optimistisch angesetzt.)
Ergebnisse der Studie:
- Insgesamt werden 186.000 Windkraftanlagen benötigt (sichert in bekannten Extremsituationen noch einen Puffer von 20% zu).
- Je nach Region 500 bis 1.000 Meter Abstand zwischen den Anlagen in allen Himmelsrichtungen (ohne Berücksichtigung bewohnter Gebiete, Industrieanlagen oder Tälern und Seen usw.).
- Ein- bis zweimal im Jahr werden in Extremsituationen 30 bis 40% der Speicher beansprucht.
- Kritische Situation im Sommer 2010 (dreiwöchige, intensive Windflaute): 81% der landesweiten, simulierten Speicher werden beansprucht.
- Sehr häufig riesige Überproduktion, die Abschaltungen notwendig machen würde, sofern keine weiteren Speicherkapazitäten bereitgestellt werden müssten und Nachbarländer keinen Bedarf hätten.
Probleme:
- Das Errichten der benötigten Windkraftanlagen wird viele Jahrzehnte dauern. Der Platz dafür beginnt bereits jetzt knapp zu werden. Beste Lagen sind häufig schon mit Windkraftanlagen bebaut.
- Die Bereitstellung der Speicherkapazitäten von 10 TWh durch Anlagen mit hohem Wirkungsgrad wird viele Jahrzehnte dauern. Ein Ausbau in Form von Pumpspeicherwerken würde die 200 bis 250-fache Anzahl erfordern. Platz dafür ist nicht vorhanden.
- Die Abschaltung der Kernkraftwerke in 5 Jahren kann durch Windenergie nicht abgefangen werden.
- Die Abschaltung der Kohlekraftwerke in 15 bis 25 Jahren kann durch Windenergie nicht abgefangen werden.
- Die deutliche Bedarfssteigerung, vor allem durch Elektromobilität benötigt viele weitere Windkraftanlagen und Speicherkapazitäten.
Fazit
Deutschland mit Windenergie zu versorgen ist prinzipiell machbar.
Es benötigt jedoch noch viel Zeit und es besteht weiterhin die Gefahr, in windarmen Zeiten keinen Strom verfügbar zu haben. Auch andere Erneuerbare Energien können dann nicht ausreichend einspringen.
Der Bau der notwendigen Windkraftanlagen und Speicherkapazitäten wird aus aktueller Sicht noch viele Jahrzehnte dauern und die Landschaft Deutschlands in ein weithin sichtbares Industriegelände verwandeln. Der notwendige Platz dafür steht eigentlich gar nicht zur Verfügung. Vor allem der Übergang zur Elektromobilität wird viele weitere Kapazitäten erfordern.
Der Verlust durch die baldige Abschaltung der Kern- und Kohlekraftwerke kann zudem nur durch Kraftwerke ersetzt werden, die keine Erneuerbaren Energien verwenden.
Karten und Diagramme
Die folgenden Karten und Diagramme zeigen die Ergebnisse der Studie:
Die notwendige Verteilung der Windkraftanlagen in Deutschland (Anzahl pro Region) sowie die Auslastung der Speicheranlagen in Abhängigkeit von Bedarf und Ertrag.
Jährliche Diagramme der Stromproduktion
Folgende Diagramme zeigen die theoretische Stromproduktion nach den Rahmenbedingungen einer funktionierenden Windstromversorgung in Deutschland, die bei Überproduktion für das Laden der notwendigen Speicher verwendet werden kann oder zum Verkauf steht.
Aktualisierung der Studie bis September 2024
Folgendes Diagramm zeigt die Ergebnisse der weitergeführten Studie bis einschließlich September 2024. Die Resultate der Studie werden auch durch die Fortführung bestätigt.
Die grüne Linie zeigt den Füllstand der Stromspeicher an, die sich aus der in der Studie resultierenden Infrastruktur neuester Windkraftanlagen ergibt. Für eine funktionierende Windstromversorgung müssen die Speicher eine Kapazität von 10 TWh aufweisen.